Reisen in Zeiten von Corona - 2020 in 12 Bildern, oder:

12 surreale Sätze aus 2020, die wir 2019 nicht für möglich gehalten hätten

Wie in jedem Jahr, so auch in diesem, hat Michael vom Reiseblog Erkunde die Welt die deutschsprachige Reiseblogger Community zum Jahresende wieder eingeladen, das Jahr anhand der schönsten Reisefotos Revue passieren zu lassen. Dass dies in diesem Jahr etwas anders aussehen würde als sonst, war uns allen schnell klar. Wie anders und (hoffentlich) einmalig das Reisejahr 2020 aber war, wurde mir erst so richtig bewusst, als ich anfing, meine Fotos und auch meine Gedanken für diesen Blog Artikel zu sortieren. Es fiel mir zum Beispiel auf, dass in diesem Jahr ganz neue Sätze meinen Wortschatz eroberten. Sätze, die ich 2019 so noch nicht kannte. Und deshalb steht mein Jahresrückblick unter dem Motto: 12 surreale Sätze, die ich 2020 aussprach - und zu Beginn des Jahres nicht für möglich gehalten hätte

 

Januar -  Ich glaub' ich buch' den Tokio Flug noch um, Umsteigen in Peking wird mir zu riskant.

Februar -  Nein, ich bin zwar im Kreis Heinsberg geboren, war aber dieses Jahr noch nicht dort.

März -  Machen wir jetzt schon 'nen Wein auf oder warten wir bis zum Mittagessen?

April -  Ob ich wohl auch eine Geburtstags-Whatsapp ohne das Wort "Klopapier" bekomme?

Mai -  Denk' an die Maske, wenn Du trainieren gehst.

Juni -  Ich schick' Dir 'nen Zoom Invite.

Juli -  Brauchen wir für Oslo einen PCR Test?

August -  Ich hab' jetzt endlich raus, wie die Brille nicht mehr beschlägt.

September -  Wie ist bei Euch heute die Inzidenz?

Oktober -  Wie viele Haushalte sind wir, wenn Susanne auch kommt?

November -  Wie viele Wahlmänner hat Georgia nochmal?

Dezember -  Ist Biontech ein Vector - oder ein mRNA Impfstoff?

 


Ranking Nationalparks USA Westen
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Januar -  Ich glaub' ich buch' den Tokio Flug noch um, Umsteigen in Peking wird mir zu riskant.

 

Im Januar war die Pandemie noch sehr weit weg. Und sie war noch nicht einmal eine Pandemie, sondern waberte irgendwo als Epidemie zwischen Wuhan und Peking. Wenn ich nicht kurz zuvor einen super günstigen Flug nach Tokio gebucht hätte - mit Air China und mit einem Stopover in Peking - hätte ich mich wahrscheinlich gar nicht sonderlich für das Thema interessiert. Doch als die ersten Bilder von hastig errichteten Notkrankenhäusern und abtransportierten Leichen über die Bildschirme flimmerten, buchte ich meinen Flug auf Air France um - und dachte in meiner Naivität, das Thema sei damit erledigt. Hätte ich damals von einem Leuchtturm aus das Jahr überblicken können, hätte ich gesehen, dass es in diesem Jahresrückblick keine Fotos aus Kyoto und Peking geben wird, sondern stattdessen aus Oslo und Ljubljana, aus dem Alten Land und aus deutschen Mittelgebirgen.  Deshalb ist mein Januar Foto dem Leuchtturm von Twielenfleth auf dem Elbdeich im Alten Land gewidmet, das beim Urlaub im Juni entstand. 

 

Reisen in Zeiten von Corona: Leuchtturm auf dem Elbdeich im Alten Land
Reisen in Zeiten von Corona: Leuchtturm auf dem Elbdeich im Alten Land

Februar -  Nein, ich bin zwar im Kreis Heinsberg geboren, war aber dieses Jahr noch nicht dort.

 

Im Februar war Corona dann plötzlich nah. Sehr nah, denn ich komme ursprünglich aus einem kleinen Dorf im Kreis Heinsberg. Und habe deshalb dort Familie, Verwandte und Freunde - von denen die meisten kurz zuvor noch ausgiebig Karneval gefeiert hatten. Neben der Sorgen um die Gesundheit der Angehörigen hörte ich Geschichten von stornierten Aufträgen, weil der Handwerksbetrieb im Seuchenkreis liegt und von Kollegen, die sich in der Kantine lieber an einen anderen Tisch setzten. Und auch ich musste, dort wo meine zwielichtige Herkunft bekannt war, einige Mal erklären, wann ich denn das letzte Mal im Kreis Heinsberg zu Besuch war. 

 

Und ich wusste, um es ironischerweise mit den Worten des Corona Leugners Xavier Naidoo zu sagen: Dieser Weg wird kein leichter sein, dieser Weg wird steinig und schwer. Wie auf diesem Foto, das im Herbst auf einer Wanderung in der Nähe von Gießen entstand. 

 

LAND Fotos
Reisen in Zeiten von Corona: Dieser Weg wird kein leichter sein...

März - Machen wir jetzt schon 'nen Wein auf oder warten wir bis zum Mittagessen?

 

Im März war er dann da, der Lockdown, und wir alle lagen auf dem Sofa, faul wie die Waschbären, und waren Helden. Wie sehr ich meinen Tagesrhythmus an die neue, ungewohnte Situation anpasste, merkte ich spätestens ein paar Wochen später am Altglas Container, beim Zählen der leeren Weinflaschen. 

 

Chardonnay statt Sake. Denn eigentlich wäre ich statt auf dem Sofa gerade in Japan unterwegs. Ich hatte schon begonnen, ein paar Sätze Japanisch zu lernen. Doch statt Sayonara, O genki desu ka? und Sumimasen lernte ich jetzt neue Vokabeln wie Systemrelevanz, Inzidenz und Aerosole. Aber zum Glück kann ich ja allem etwas Positives abgewinnen. Ich hatte erfahren, dass der Itsukushima-Schrein auf der Insel Miyajima vor Hiroshima, eines der Top Hightlights für jeden fotobegeisterten Reiseblogger, gerade restauriert wird. Und aktuell statt wie auf dem ersten Foto aussieht wie auf dem zweiten Foto. Da ist man doch froh, dass gerade Corona ist. Die März Fotos sind deshalb auch nicht von mir, sondern von einer Foto Datenbank. 

 

April - Ob ich wohl auch eine Geburtstags-Whatsapp ohne das Wort "Klopapier" bekomme?

 

Auf dem Höhepunkt der ersten Welle feierte ich dann in aller Stille meinen Geburtstag und freute mich statt über Besuche über Anrufe, Videocalls und Whatsapps. Irgendwie waren wir alle thematisch ein bisschen gleichgeschaltet und schickten uns die selben Cartoons und Videos zu - mit Menschen, die sich im Supermarkt um Toilettenpapier streiten oder die mit Hilfe eines abmontierten Toilettensitzes so tun, als schauten sie durch ein Flugzeugfenster. 

 

Apropos fingierte Fotos geplatzter Reisepläne: Ich verbrachte dann doch noch einen sehr schönen Tag mit einem traumhaften Sonnenuntergang in der Südsee. Denn zum Glück haben clevere Stadtmarketing Strategen den beiden Seen in den Rheinauen bei Xanten die Namen Nordsee und Südsee gegeben. Und so habe ich gleich vor Haustür hier am Niederrhein ein Stück Südsee Zauber. Sehr praktisch, wenn die echte Südsee gerade nicht erreichbar ist. 

 

LAND Fotos
Reisen in Zeiten von Corona: Sonnenuntergang in der Südsee

Mai - Denk' an die Maske, wenn Du trainieren gehst.

 

Im Mai war er dann vorbei, der erste Lockdown. Haben wir eigentlich während des 1. Lockdowns vom 1. Lockdown gesprochen? Und haben die Leute während des 1. Weltkriegs vom 1. Weltkrieg gesprochen? Wenn wir gewusst hätten. Wie auch immer. Endlich wieder Fitness Studio. Endlich wieder Restaurant. Mein erster Restaurant Besuch nach dem Lockdown war ein echtes Erlebnis. Ein Fest für alle Sinne, nach Wochen mit tiefgekühltem Flammkuchen. Meine deprivierten Sinne waren so überwältigt von den kulinarischen und optischen Finessen, dass ich mich zum ersten Mal im Leben zu einem Food Selfie hinreißen ließ. Dass ich kein Food Blogger bin und nicht viel Erfahrung mit dem Fotografieren meines Nachtischs habe, erkennst Du sicher am schlecht gewählten Bildausschnitt.

 

Reisen in Zeiten von Corona: Ich weiß gar nicht, warum ich im Lockdown drei Kilo zugenommen habe...
Reisen in Zeiten von Corona: Ich weiß gar nicht, warum ich im Lockdown drei Kilo zugenommen habe...

Juni - Ich schick' Dir 'nen Zoom Invite.

 

Spätestens im Juni stellte sich mir  - so wie anderen Reisebloggern, die ihren Lebensunterhalt eigentlich mit ihrem Reiseblog bestreiten wollen die Frage, wie es finanziell weitergeht. Überraschender Weise erholten sich die Clicks und Buchungen auf meiner Webseite nicht wesentlich. Meine wichtigsten Reiseziele von Südafrika bis Kanada, von Australien bis in die USA hatten entweder ihre Grenzen weiter geschlossen oder kämpften gerade selbst mit ihrer ersten Welle. Und niemand hatte Lust, seinen Urlaub dorthin zu planen. Aber um kurzfristig auf Food Blogger oder Mode Blogger umzuschulen fehlt mir ehrlich gesagt die Kompetenz. Das möchte keiner lesen. 

 

Stattdessen bewarb ich mich um ein Stipendium der IHK Niederrhein und bestritt mit viel Nervosität meinen Bewerbungspitch vor der Jury der IHK. Nervös vor allem deshalb, weil der Pitch gleichzeitig auch meine erste Zoom Konferenz war und ich als Analog- Native etwas zu kämpfen hatte, bis das Hintergrund Bild mit der Golden Gate Bridge richtig funktionierte.

 

Nachdem ich glücklicherweise die Zusage für das Stipendium erhalten hatte, trat ich einen wohlverdienten Kurzurlaub unter dem Motto "Altes Land statt Neue Welt" oder "Jork statt New York" an. Und überlegte mir, zumindest von Fernreiseblogger auf Deutschlandblogger umzuschulen. Das Juni Foto entstand bei einer Fahrradtour vorbei an den Fachwerkhäusern im kleinen Ort Jork.

 

Reisen in Zeiten von Corona: Altes Land statt Neue Welt
Reisen in Zeiten von Corona: Altes Land statt Neue Welt

Juli - Brauchen wir für Oslo einen PCR Test?

 

Im Juli begann dann die Zeit, als Wochenendtrips mit der Frage "Wo kommen wir im Moment ohne PCR Test rein?" geplant wurden. Im letzten Jahr hatte ich meinen 40 / 5 Job aufgegeben, um mehr reisen zu können, und wäre jetzt wahrscheinlich irgendwo in Asien unterwegs. Schlechtes Timing. Nach der Beantwortung der oben genannten Frage hieß es dann "Lachs in Oslo" statt "Walhai in Oslob" und ich genoss ein wunderbares Wochenende im mittsommerlichen Norwegen. Die Architektur dort war zwar nicht ganz so wie auf den Philippinen, gab dann aber doch einige schöne Motive her - wie diese windschiefen Holzhäuser mitten im Zentrum der norwegischen Hauptstadt. 

 

Reisen in Zeiten von Corona: Oslo statt Oslob
Reisen in Zeiten von Corona: Oslo statt Oslob

August: Ich hab' jetzt endlich raus, wie die Brille nicht mehr beschlägt.

 

Ich habe ja festgestellt, dass meine Toleranz Schwelle während des Corona Jahres deutlich gesunken ist. Nein, ich habe kein Verständnis für Leute, die sich darüber beschweren, dass Ihnen die Brille beschlägt, weil sie gezwungen werden, eine Maske zu tragen. Während andere auf der Intensivstation um ihr Leben kämpfen. Ich habe wenig Verständnis für Leute, die für drei Wochen ihr Nobel Restaurant schließen mussten. Während in der Tourismusbranche tausende bereits ihren Job verloren haben oder auf nicht absehbare Zeit in 100% Kurzarbeit sind. Und schon gar kein Verständnis habe ich für Leute, die aus Egoismus oder Selbstprofilierung die Gesundheit anderer gefährden und glauben sie seien Sophie Scholl.

 

Doch bevor ich mich noch mehr aufrege, zitiere ich lieber Yoko Ono: "Smile in the mirror. Do that every morning and you'll start to see a big difference in your life." So wie es diese beiden Holzhäuser tun, die ich auf meinem Stadtbummel durch Oslo getroffen habe. 

 

LAND Bilder:
Reisen in Zeiten von Corona: Lächle in den Spiegel. Tu das jeden Morgen und du wirst einen großen Unterschied im Leben bemerken.

September -  Wie ist bei Euch heute die Inzidenz?

 

So wie ich bis vor einigen Jahren noch nicht geglaubt hätte, dass "Reiseblogger" ein echter Beruf sein kann, so wusste ich bis vor Kurzem nicht, dass es Berufe wie Virologe und Epidemiologe gibt. Und dass es davon mindestens genauso viele wie Reiseblogger zu geben scheint. Und dass sie mit ihren Blogs und Podcasts im Moment mehr Aufmerksamkeit haben, als irgendein Reiseblog. Aber irgendwo sind wir alle ja mittlerweile ein bisschen Virologe und Epidemiologe. Und begrüßen uns mit Fragen wie "Wie ist denn bei Euch heute die 7-Tage Inzidenz?

 

Weil diese in Slowenien gerade unglaublich tief war, verschlug es mich Anfang September nach Ljubljana. Was mich an der Stadt besonders faszinierte waren ihre Gegensätze. Irgendwo zwischen venezianischer Romantik - beim Bummel entlang des Ljubljanica Flusses und post-sozialistischem Realismus - beim Bummel über den Platz der Republik.

 

Oktober -  Wie viele Haushalte sind wir, wenn Susanne auch kommt?

 

Der Oktober war dann der Monat, als die mehrfach zitierte Inzidenz an vielen Orten langsam aber stetig wieder anstieg. Und gleichzeitig der Monat, wo man normalerweise anfängt, sich mit dieser Frage zu beschäftigen: Wie machen wir es dieses Jahr mit Weihnachten und Silvester? Schon damals war abzusehen, dass dies in diesem Jahr alles etwas anders ablaufen könnte als sonst. Und so kamen erstmals so surreale Fragen auf, die man sich vor einem Jahr nicht mit viel Fantasie hätte vorstellen können: Wie viele Haushalte sind wir, wenn Susanne auch kommt?

 

Ich weiß nicht, ob die norwegische Königsfamilie sich auch mit diesen Fragen beschäftigen muss. Dort ist ja die Inzidenz deutlich niedriger und Platz ist in ihrem Schloss und im angrenzenden Park sicher auch genug für ein paar zusätzliche Besucher zum Weihnachtsfest. 

 

Reisen in Zeiten von Corona: Viel Abstand möglich im Schlosspark von Oslo
Reisen in Zeiten von Corona: Viel Abstand möglich im Schlosspark von Oslo

November -  Wie viele Wahlmänner hat Georgia nochmal?

 

Dass das Jahr 2020 nicht ganz monothematisch war, merkte ich dann im November. Plötzlich trat Corona trotz Lockdown-Light (schon das Wort...)  in den Hintergrund und ich verbrachte die Nächte auf CNN und n-tv. Ich lernte, wie man Pennsylvania korrekt schreibt, wo genau Wisconsin liegt - und dass Georgia 16 Wahlmänner hat.

 

Wenn Corona nur ein kleines bisschen dazu beigetragen hat, dass eines der schönsten Reiseländer der Welt im nächsten Jahr nicht mehr von einem FASCHISTEN, RASSISTEN, SEXISTEN, LÜGNER, BETRÜGER UND VERSALIEN-TWITTERER regiert wird - dann haben sich die ganzen Entbehrungen der letzten Monate doch gelohnt.

 

Das November Foto entstand beim Herbstausflug nach Gießen. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hat mich das Rindvieh an den abgewählten US Präsidenten erinnert. 

 

Reisen in Zeiten von Corona: Rindvieh mit schlechter Frisur.
Reisen in Zeiten von Corona: Rindvieh mit schlechter Frisur.

Dezember -  Ist Biontech ein Vector- oder ein mRNA Impfstoff?

 

Dass wir uns als Hobby Virologen und Epidemiologen mittlerweile fachkundig über Vector- und mRNA Impfstoffe unterhalten, lässt mich hoffnungsvoll auf das Jahr 2021 schauen. Ich habe im zu Ende gehenden Jahr gemerkt, dass ich auf vieles verzichten kann: Glühwein bei 12 Grad und Nieselregen auf dem Weihnachtsmarkt? Geschenkt. Geburtstag feiern mit Freunden und Verwandten? War ja kein Runder. Friseur? Ich war immer schon ein Fan von Catweazle. Das Einzige was mir wirklich schwer fällt, ist der Verzicht auf das Reisen. Trotz schöner Tage in Oslo und Ljubljana, trotz toller Momente im Alten Land und bei diversen Wanderungen durch deutsche Mittelgebirge.

 

Meine letzte größere Reise nach Malaysia ist über ein Jahr her. Ich vermisse den Geruch der Garküchen auf dem Nachtmarkt von Langkawi. Und die Lichter der Großstadt beim Sonnenuntergang in der Rooftop Bar über Kuala Lumpur. Sobald es wieder losgehen kann, pack' ich meinen Rucksack und ziehe los. Und löse ein Versprechen ein, das ich während einer schlaflosen Nacht im November gegeben habe. Ich mache einen Roadtrip durch Pennsylvania, Wisconsin, Georgia, Nevada und Arizona. Um mich bei den Menschen dort persönlich zu bedanken. 

 

Das Dezember Foto ist nochmal bei einer der Wanderungen durch Hessen entstanden und soll gleichzeitig ein Ausblick auf 2021 sein. Mit den Worten von Konfuzius, der den Subclaim meines Reiseblogs formulierte: Der Weg ist das Ziel. 

 

Reisen in Zeiten von Corona: Der Weg ist das Ziel
Reisen in Zeiten von Corona: Der Weg ist das Ziel

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